Mittwoch, 3. August 2016

"Mensch auf der Flucht" - Deutsch-Tschechisches Seminar in Susice

An einem Wochenende im Mai durfte ich meinen Koffer in Prag packen und etwa 2 Stunden Richtung Susice in das kleine Nachbardörfchen Albrechtice fahren. Es stand ein dreitägiges Seminar mit dem Titel "Mensch auf der Flucht" an, wozu ich mich nur aus Zufall und noch am letzten möglichen Anmeldetag beworben hatte und glücklicherweise prompt genommen wurde. 




Was für ein glücklicher Zufall. Denn obwohl ich relativ spontan und ohne große Vorbereitung zu diesem Seminar fuhr, kam ich mit umso mehr Eindrücken und neuem Input nach Prag wieder und muss sagen, dass mich das Wochenende in Albrechtice noch immer beschäftigt. 




Es handelte sich um ein deutsch-tschechisches Seminar "Mensch auf der Flucht", welches für junge Tschechen und Deutsche von dem Tandem-Projekt und Jugendportal "ahoj.info" organisiert und durchgeführt wurde. Hinter diesem Namen steckten aber, so durften alle Teilnehmer an diesem Wochenende herausfinden, drei tolle engagierte junge Frauen Kristýna Růžičková, Žaneta Šindlerová und Pauline Tschakert, die im Rahmen ihres Europäischen Freiwilligendienstes im Jahr 2015/2016 sowohl bei Tandem Regensburg als auch bei Tandem Pilsen tätig sind und sich für die Verständigung zwischen deutschen und tschechischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen engagieren.

Das Thema des Seminars war relativ weit gefasst, wurde jedoch über die Tage hinweg immer konkreter und so diskutierten alle Beteiligten leidenschaftlich zu den Themen Flucht, Identitätsfindung in einer neuen Gesellschaft sowie Diversität. 






Katarina Push begleitete das Seminar mit sogenannter "Sprachanimation", die für einige zunächst befremdlich oder gar "unangemessen" wirkte. Dabei sollten wir uns immer wieder in die Rolle von geflüchteten Menschen, oder insgesamt in die Rolle von Menschen hineinversetzen, die fernab von ihrer "eigentlichen" Heimat leben und mit Problemen zu kämpfen haben, die man sich oft nicht vorstellen kann. Schnell wurde bewusst, wie eigentlich einfache Missverständnisse, beispielsweise bei der behördlichen Anmeldung, zu großen Problemen für die Betroffenen werden könnten.

Da es bei der Einwanderung meiner Familie ähnliche Probleme gab (das kyrillsche Alphabet kann nicht so einfach transkribiert werden und so gibt es auf vielen meiner amtlichen Dokumente unterschiedliche Schreibweisen meines Nachnamens), konnte ich gerade diesen Hindernis sehr gut nachvollziehen.




Das besondere an diesem Seminar im Vergleich zu anderen Konferenzen oder Seminaren war der binationale Aspekt. Der Diskurs über geflüchtete Menschen in Europa wurde stets von mindestens zwei Seiten - der Tschechischen und der Deutschen - beleuchtet und oft fanden wir uns in hitzigen Debatten darüber wieder, wie das aktuelle Thema rund um die sogenannte "Flüchtlingsdebatte" in Deutschland sowie in Tschechien aufgenommen und aufgearbeitet wird. Natürlich wurden viele Unterschiede klar, die ich auch in vielen Gesprächen mit Tschechen in meiner Eramus-Zeit widergespiegelt sah.

Das gesamte Seminar und alle tschechischen sowie deutschen Beiträge wurden immer von Jiri simultan gedolmetscht und es hat uns alle begeistert, mit welchem Elan und welcher Geduld er alle Inhalte jedem, zu jeder Zeit verständlich machen konnte.




Vojtech Bohac
, ein junger tschechischer Journalist sprach mit uns über alle Fakten rund um das Thema Fluchtbewegung in Europa.



Tereza und Vavrinec erzählten uns von ihrem Einsatz als freiwillige Helfer beim Verteilen von Kleidung, Lebensmitteln und schilderten ihre hautnahen Eindrücke von der Arbeit mit Geflüchteten, Ruben andererseits  erzählte von seiner Arbeit in einem Deutschkurs in Berlin und auch einigen Herausforderungen, die er bei seiner Arbeit definitv auch erleben musste.




Am meisten haben mich die etwa drei Stunden Workshop zum Thema Diversität mit Alexandra Singpiel inspiriert und beeindruckt. Sie selbst arbeitet in Berlin mit Geflüchteten zusammen und zeigte uns mit simplen, aber unglaublich eindrucksvollen Methoden, wie weit und verzwickt das Thema Diversität für jeden Einzelnen von uns und vor allem in einer Migrationsgesellschaft ausfallen kann. Vor allem das "Punkte"-Spiel, welches bei vielen Seminarteilnehmern als das Highlight empfunden wurde, zeigte, wie leicht es ist, Minderheiten in einer Gesellschaft zu benachteiligen und wie oft das grundlos geschieht, obwohl sich jede Gesellschaft immer wieder neu und frei entscheiden könnte, alle Minderheiten und diversen Gruppen in ihre Gemeinschaft mit einzubeziehen.






Insgesamt waren die Tage in Albrechtice gefüllt mit tollen und anregenden Gesprächen, vielem neuen Input zum Nachdenken und einer tollen Stimmung in der Natur.







Ksenia

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen